Wirtschaftsinformatik (Bachelor-Studiengang): Grundlagen der WI (1. Semester)
Sie sind hier: Startseite › Wirtschaftsinformatik › Grundlagen der Wirtschaftsinformatik: Architektur, Modellierung und Konzepte von betrieblichen Informationssystemen
WU / CM, Kurs vom 01.04.2002 - 30.09.2002
Systembegriff
Ausgangspunkt der Systemanalyse:
- Problem: Differenz zwischen Ist und Soll
Aufgabenstellung der Systemanalyse:
- Untersuchungsziel
- Gegebene Bedingungen
Ausgangspunkt und Aufgabenstellung führen dann zum eigentlichen System.
Bildbeschreibung "Definition des Begriffes System": Ein System besteht aus verschiedenen Elementen, die miteinander in Beziehung stehen. Verschiedene Systeme können über Schnittstellen zur Systemumwelt miteinander verbunden sein. Einzelne Elemente eines Systems können sogenannte Subsysteme darstellen, die erneut verschiedene miteinander in Beziehung stehende Elemente enthalten.
Definition System:
Menge von Elementen, die über Beziehungen verbunden sind und gemeinsam einen bestimmten Zweck zu erfüllen haben.
Merkmale eines Systems:
- Systemziel oder -sinn
- Welche Ergebnisse?
- Definition der Aufgabenstellung und Systemgrenze
- Systemgrenze
- Trennung zwischen Untersuchungsobjekt und Umwelt
- Input- und Output-Schnittstellen zur Umwelt
- Input und Output
- Einwirkungen der Umwelt auf das System: Input
- Einwirkungen des Systems auf die Umwelt: Output
- Systemstruktur
- Vertikal: Aufteilung in Teil-(Sub-)systeme und nicht weiter (sinnvoll) zerlegbare Elemente
- Lateral: Beziehungen (Kopplungen) zwischen den Teilsystemen und Elementen
- Systemverhalten (als Ganzes)
Zusammenwirken der Elemente zur Erreichung des Systemziels bzw. Zwecks:- Aktionen der Elemente
- Interaktion zwischen Elementen
- Interaktionen mit der Systemumwelt
Informationssysteme
System zur Beschaffung, Verarbeitung, Speicherung, Übertragung und Bereitstellung von Informationen.
Komponenten:
- Hardware und System-Software (Basissystem)
- Anwendungs-Software
- Organisatorische Konzepte und Regelungen (Orgware)
- Menschen, die an bzw. mit dem System arbeiten (Manware)
- Datenbank mit den Daten des Systems (Datenbank)
- Management für Steuerung und Kontrolle (Info-Management)
Differenzierter Aufbau eines Informationssystems:
Bildbeschreibung "Differenzierter Aufbau eines Informationssystem": Dreigeteiltes Bild. Mitte: Anwender und Modelbank/Expertensysteme stehen in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung. Links: Führungsinformationssystem und Datenbank stehen in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung. Das Führungsinformationssystem steht ebenfalls mit beiden Elementen des mittleren Bildbereiches in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung, die Datenbank steht noch mit der Modelbank in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung. Rechts: Planungssprachen und Methodenbank stehen in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung. Die Planungssprachen stehen ebenfalls mit beiden Elementen des mittleren Bildbereiches in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung, die Methodenbank steht noch mit der Modelbank in zweiseitiger Kommunikationsbeziehung.
Modellbank:
Verknüpfung einzelner Methoden und Verfahren zu ganzheitlichen Modellen
Planungssprachen:
Entwurf individueller Planungs- und Entscheidungsmodelle
Methodenbank:
alle benutzten Methoden und Verfahren
Führungsinfo-Systeme:
gezielte Datenbankabfragen unter Benutzung geeigneter Modelle und Methoden; Nutzung von Planungssprachen und ggf. Expertensystemen
Expertensysteme:
Verknüpfung von Informationen und Regeln zu abrufbarem Wissen
Topologie von Informationssystemen
Bildbeschreibung "Topologie von Informationssystemen": Informationssysteme werden unterteilt in die Bereiche Software-Erstellung (Individual-Software, Standard-Software), Integrationsgrad (Spezial-Software, Software-Familien, intern integriert, extern integriert), Anwendungsbereich (Branchen-Software, Funktionsübergreifende Software, Funktionsbezogene Software, Spezialprogramme), Automatisierungsgrad (Vollautomation, Teilautomation, Unterstützung, Registrierung) und Verwendungszweck (Administration, Disposition, Führungsinformation, Planung/Kontrolle).
Einteilung betrieblicher Informationssysteme nach Anwendungsbereichen:
- Branchen-Software
(z.B. Industrie, Handel, Banken, Klinikadministration, Verkehrsplanung und -Leitsysteme, Hausverwaltung) - Funktionsübergreifende Software
(z.B. Bürokommunikation, Workflow-Management, Dokumenten-Management, Workgroup-Support) - Funktionsbezogene Software
(z.B. CAD, Vertrieb, Lagerverwaltung, Buchhaltung, Personalwesen) - Spezialprogramme
(z.B. Messdatenerfassung, Grafik, Statistik, Operations Research)
Einteilung betrieblicher Informationssysteme nach Verwendungszweck:
- Administrationssysteme
einfache Verarbeitung großer Datenmengen - Dispositionssysteme
Vorbereitung und Unterstützung menschlicher Entscheidungen
Einsatz bei gut strukturierten Aufgabenstellungen - Planungs- und Kontrollsysteme
langfristige, strategische, meist schlecht strukturierte Aufgaben
Einsatz beim mittleren und oberen Management - Führungsunterstützungssysteme
gezielte Informationsversorgung des mittleren und oberen Management
von reiner Informationsversorgung bis Entscheidungsunterstützung
Integration von Informationssystemen
Bildbeschreibung "Integration von Informationssystemen": Zwischen dem Beschaffungsmarkt und dem Absatzmarkt sind Informationssysteme sind sowohl in den Güterstrom als auch den Wertestrom integriert. Dabei werden die Bereiche Entwicklung/Gestaltung, Planung, Marktforschung, Beschaffung, Produktion/Service, Absatz, Zahlungsverkehr, Kalkulation und Rechnungswesen passiert.
Ziele integrierter betrieblicher Informationssysteme:
- Überwinden von Abteilungsgrenzen und Verknüpfung verschiedener Teilbereiche einer Organisation
- Reduzierung des manuellen Eingabeaufwandes für Daten und damit auch Redzierung der Eingabefehler
- Automatisierung von Abläufen und Datentransfers
- Ganzheitliche Aufgabenbearbeitung über Geschäftsprozesse
Merkmale integrierter betrieblicher Informationssysteme:
- Übernahme von Aufgaben aus mehreren Funktionsbereichen
- Einzelne Verarbeitungsbereiche sind systemintern zu einem Gesamtsystem verknüpft
- Daten werden möglichst früh erfasst und dann systemintern verarbeitet, gespeichert und weitergeleitet
Grundsätze für integrierte betriebliche Informationssysteme:
- Die Datenerfassung ist besonders sorgfältig zu konzipieren, insbesondere im Hinblick auf Fehlerprüfungen
- Vom System ausgegebene Belege sind so zu gestalten, dass sie nach manueller Bearbeitung oder dgl. für eine (möglichst direkte) Wiedereingabe in das System verwendet werden können: Prinzip des Rücklaufbelegs
- Es muss eine gemeinsame Datenbasis für alle Programme bzw. Teilsysteme geschaffen werden
- Das System muss erweiterbar und flexibel sein, da sonst spätere Änderungen besonders aufwendig sind
Hinweis: In der Regel gilt: Hoher Investitionsaufwand - Späte Nutzeffekte!
Integrationsarten von Informationssystemen:
Unterscheidung der Integration nach
- Konzept
- technisch: Hardware-Komponenten -> Rechnerverbund
- organisatorisch: von Mitarbeitern auszuführende Aufgaben
- über Methoden: Abstimmung der Methoden oder Werkzeuge
- Richtung
- horizontal: Teilbereiche entlang der betriebl. Wertschöpfungskette
- vertikal: Verbindung der Abläufe verschiedener Ebenen
- Reichweite
- intern: innerhalb eines Unternehmens (Abteilung, Bereich, Gesamt-Unternehmen)
- extern: über Unternehmensgrenzen hinweg -> virtuelle Organisation
- Objekt
- Daten: Nutzung derselben Daten von mehreren Funktionen
- Funktionen: Zusammenfassung mehrerer Arbeitsschritte
- Programme: Verknüpfung von Programmabläufen
- Methoden: Abstimmung der implementierten Methoden / Verfahren
- Prozesse: Abstimmung der Prozesse unterschiedlicher Bereiche
- Intensität
- Vollautomation: Funktionserfüllung ohne menschliche Intervention
- Teilautomation: mit menschlichem Eingreifen in begrenztem Umfang
Architektur
Informationssystem-Architektur
Gesamtheit aller Regeln, Vorschriften und Konzepte, die dem Aufbau eines IV-Systems zugrundeliegen.
Wichtige Aufgabe: Festlegung von Standards.
Verschiedene Sichten auf eine Informationssystem-Architektur:
- Funktionssicht
- Prozesssicht
- Datensicht
- Steuerungssicht
- Informationssicht
- Kommunikationssicht
- Sicherheitssicht
- Umweltsicht
- Ressourcensicht
- Mitarbeitersicht
- Organisationssicht
Anwendungsarchitektur
Einheitliche Richtlinien für die Anwendungsentwicklung hinsichtlich:
- einheitlicher Benutzeroberflächen
- Möglichkeit der Kommunikation
- Einsatz auf unterschiedlichen Basissystemen
Modellierung
Modellierung:
Prozess der Bildung eines Modells.
Modell:
Systeme, mit deren Hilfe Informationen über andere
(reale) Systeme erhalten werden sollen.
Merkmal: Im Hinblick auf einen Zweck vereinfachte Abbildung
eines Realitätsausschnittes.
Gegenstand der Modellierung (WI):
Unternehmen, Informationssysteme usw.
Unternehmensmodell:
Abstrahierende Beschreibung der statischen und dynamischen
Strukturen und Prozesse eines Unternehmens.
Ziel: Potentiale für eine sinnvolle, mögliche
IT-Unterstützung erkennen.
Informationssystemmodell:
Ganzheitliche Beschreibung von betrieblichen Informationssystemen bzw. der gesamten IV eines Unternehmens.
Klassifizierung von betriebswirtschaftlichen Modellen nach der Zielsetzung
- Beschreibungsmodelle (Abbildung relevanter Merkmale realer Erscheinungen)
- Erklärungsmodelle (Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Einflussgrößen)
- Entscheidungsmodelle (Zielsystem)
Ist- und Soll-Modellierung:
- Ist-Modell
- Nachbild
- Abbild der realen Welt
- Soll-Modell
- Vorbild
- zeitlich vor der Realität
- Abbild zukünftiger Möglichkeiten
(Zyklische) Schritte der Modellierung:
- Ausschnitt aus der Realität
- aktive (Re-)Konstruktion / Modellierung
- Ist-Modell
- Phantasie
- Soll-Modell
- Konstruktion
- Realität schaffen / ändern
Klassifizierung von betriebswirtschaftlichen Modellen nach Anwendungsbereich
- Konzeptionelle Modelle
- repräsentiert grundlegende Konzepte
- stellt abstraktes Schema dar
- Implementierungsmodelle
- an die spezifischen (IV-)Gegebenheiten angepasstes Modell
- Referenzmodelle
Standardisiertes Modell für:- Unternehmen einer Branche
- typische Standard-Geschäftsprozesse
Klassische Unternehmensmodelle
Unternehmensmodell = abstrahierende Beschreibung der statischen und dynamischen Strukturen und Prozesse eines Unternehmens.
Statische Sicht auf die Aufbauorganisation:
- Stellen, Abteilungen, Bereiche
- Stellenbeschreibungen
- Über- und Unterordnungsverhältnisse
Modellierung meist als Organigramm:
- Dynamische Sicht auf die Ablauforganisation
- Aufgaben, Aktionen oder Aktivitäten und deren Beschreibung
- Reihenfolge der Aufgabenbearbeitung
- Ressourcenbedarf und ausführende Stellen für die Aufgabenbearbeitung
Modellierung als Arbeitsablauf- oder Prozessdiagramm (innerhalb der hierarchischen Aufbauorganisation).
Prozessorientierung in der Modellierung:
Geschäftsprozess (Business Process)
- besteht aus logisch zusammengehörigen Vorgängen
- Ein Vorgang besteht aus einer oder mehreren Aufgaben/Aktivitäten, die durch Stellen ausgeführt werden.
- ist ziel- bzw. ergebnisorientiert,
- ist verbunden mit dem Austausch von Informationen bzw. Leistungen zwischen Objekten in der Organisation,
- wird durch ein auslösendes Startereignis aktiviert (Informationsinput) und
- wird durch ein Endereignis beendet (Informationsoutput).
Übersicht wichtiger Modellarten
- Organisationsmodell:
Beschreibung der Organisationseinheiten und deren fachlicher und disziplinarischer Über-/Unterordnung - Funktionsmodell:
Beschreibung der Aufgabenstruktur: welche Aufgaben in welcher Anordnung und Ebene - Datenmodell:
Beschreibung der Informationsobjekte und ihrer Beziehungen untereinander - Prozessmodell:
Prozessorientierte Organisationsmodelle zur Beschreibung des Ablaufs von Aktivitäten (Funktionen) - Geschäftsprozessmodell:
Explizite Modellierung der betriebswirtschaftlichen Geschäftsprozesse, orientiert an der betrieblichen Wertschöpfung - objektorientierte Modelle:
Erfassung von Objekten der Realität in einer Sicht, die Daten und Funktionen miteinander verbindet - Architekturmodelle:
Beschreibung des Aufbaus eines Systems aus Komponenten, die über Schnittstellen kommunizieren
Grundprinzipien der Modellierung:
- Modelliere einfach - denke kompliziert!
- Verwendung einer einfachen Modellierungssprache mit dennoch komplexen Abbildungsmöglichkeiten.
- Beginne klein und erweitere!
- Zuerst mit einem Ausschnitt beginnen, nach und nach ergänzen.
- Teile und herrsche, vermeide Mega-Modelle!
- Dekomposition, d.h. Bildung bzw. Betrachtung von Teilmodellen.
- Nutze Metaphern, Analogien und Ähnlichkeiten!
- Ersetzen von komplizierten Modellteilen durch einfachere, aber ähnliche Modelle.
- Verliebe Dich nicht in Daten!
- Zuerst das Modell erstellen und danach die konkrete Beschaffenheit der zu verarbeitenden Daten einbeziehen.
- Keine Details aufnehmen, nur weil man die dazugehörigen Daten besitzt.
Spezielle Konzepte
Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes
Bildbeschreibung "Neuronales Netz": Ein neuronales Netz besteht aus drei Schichten. Schicht 1 = Eingangsschicht, Schicht 2 = Verborgene Schicht (hier auch mehrere Zwischenschichten möglich), Schicht 3 = Ausgangsschicht. In jeder Schicht befinden sich n Elemente, genannt Neuronen. Alle Neuronen zweier nebeneinander liegender Schichten stehen miteinander in Verbindung.
Typische Anwendungsbereiche:
- Mustererkennung (z.B. Handschriften)
- Verhaltensvorhersagen (z.B. Meteorologie)
- Bewertung und Entscheidung (z.B. Kreditwürdigkeit)
- Diagnose (z.B. Medizin, techn. Systeme)
Aufbau eines Expertensystems (XPS)/ wissensbasierten Systems (WBS)
Bildbeschreibung "Aufbau eines Expertensystems": Drei Eckpunkte (Anwender, Experte und Datenbank). Links: Der Anwender ist verbunden mit einer Dialogkomponente, diese wiederum mit einer Problemlösungskomponente. Mitte: Die Datenbank stellt eine Wissensbais zur Verfügung, diese wiederum eine Erklärungskomponente. Rechts: Der Experte ist verbunden mit einer Wissenserwerbskomponente sowie der Erklärungskomponente. Die Komponenten der linken wie auch der rechten Seite sind zusätzlich noch mit den Komponenten der Mitte verbunden.
Grundkonzept eines Agentensystems:
Agenten = Selbständig agierende, wissensbasierte Systeme,
die auf Umweltsignale reagieren, Verbindungen und
Zusammenarbeit autonomer Systeme steuern, Dienste
zugänglich machen usw.
Ziel ist die gemeinsame und kooperative Erarbeitung von
Problemlösungen.
Bildbeschreibung "Agentensystem": In einem Netzwerk sind mehrere sogenannte Agenten linienförmig miteinander verbunden. Die Agenten können mit verschiedenen Server, Diensteanbietern, Koordinatoren und virtuellen Knoten außerhalb des Netzwerkes in Verbindung stehen.