Wirtschaftsinformatik (Bachelor-Studiengang): Wirtschaftsrecht (4. Semester)

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OLW / CM, Kurs vom 01.10.2003 - 31.03.2004

Wirtschaftsrecht: Vertragsanbahnung: Einführung (Die drei großen Rechtsbereiche, Gerichte des Zivilrechtes, Rechtsmittel, Kostenverteilung), Verfahrensarten (Klage, Einstweilige Verfügung, Mahnverfahren, Kurz etwas zu Fristen...), Vertragsanbahnung (Anspruchsgrundlagen, Zustandekommen von Verträgen, sog. "Dritte" im Vertragsrecht, Die drei Bedeutungen des Schweigens).

  1. Einführung
  2. Verfahrensarten
  3. Vertragsanbahnung

Einführung

Die drei großen Rechtsbereiche

Hinweis: Wir beschäftigen uns ab jetzt nur mit dem Zivilrecht!

Gerichte des Zivilrechtes

  1. Amtsgericht (unterstes Gericht im Zivilrecht -> 1 Amtsrichter)
    Beispiel: A verklagt B auf 300 €, die dieser ihm schuldet
  2. Landgericht (nächsthöheres Gericht -> 3 Richter und eventuell + 2 Schöffen)
    streitwertabhängig, > 5.000 €
  3. Oberlandesgericht (kurz: OLG, 5 Richter)
  4. Bundesgerichtshof (kurz: BGH -> 5 Richter)
    zuständig für Grundsatzurteile, "Präzedenzfälle"
    Beispiel: OLG Hamburg sagt ja, OLG München sagt in ähnlichem Fall nein
    -> BGH entscheidet ganz abstrakt für alle folgenden gleich

Eingangsgericht ist bei Zivilrechtklagen immer entweder das Amts- oder das Landgericht.

Ausnahme: Bei Mietrechtfragen immer Amtsgericht des Mieters.

Rechtsmittel

Bei Einlegung von Rechtsmitteln gelangt das ganze Verfahren eine Instanz höher.

Revision:

Berufung:

Hinweis: Nicht berufungsfähig sind Urteile unter 650 €.

Kostenverteilung

§ 91 ZPO ff.: Der Unterlegene trägt die Kosten des Vefahrens.

Hinweis: Kosten des Verfahrens = Gerichtskosten + außergerichtliche Kosten

Der Kläger muss die Gerichtskosten natürlich verauslagen.

Merke auch:

Kostenteilung natürlich nur bei Gleichverteilung der Kosten bei Kläger und Verklagtem. Außergerichtliche Kosten (Anwaltskosten) werden von jedem selbst getragen ("Kostenaufteilung").

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Verfahrensarten

Klage

Langwierig. Mit münlicher Verhandlung.

Ergebnis:

Titel, d.h. "Urteil im Namen des Volkes..." (Staat bescheinigt, dass der Anspruch besteht)

Zwangsvollstreckung:

Titel existiert, Anspruch wird aber nicht bezahlt

Zum Gerichtsvollzieher: sogenanntes "3-Stufen-Urteil"

  1. Auskunft
  2. Richtigkeit der Auskunft
  3. Urteil aufgrund gegebener Auskunft

Einstweilige Verfügung

Vorläufiger Rechtsschutz. Kurzfristig, zeitnah.

Ergebnis:

Beschluss

Mahnverfahren

Mahnbescheid:

Möglichkeiten, zu reagieren (4 Wochen Zeit):

Vollstreckungsbescheid (Vollstreckungsfähiger Titel!):

Kurz etwas zu Fristen...

Hinweis: Wer schuldlos Fristen versäumt, bekommt noch einmal Zeit! (Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand")

Versäumnisurteil:

§ 33 ff. ZPO: Ist der Schuldner nicht anwesend, so hat er schon verloren!

Aber auch hier: Wer schuldlos...

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Vertragsanbahnung

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

  1. §§       1 -   240: Allgemeiner Teil
  2. §§   241 -   853: Recht der Schuldverhältnisse
  3. §§   854 - 1296: Sachenrecht
  4. §§ 1297 - 1921: Familienrecht
  5. §§ 1922 - 2385: Erbrecht

Anspruchsgrundlagen

§ 433 BGB "Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag"

(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

Anspruchsprüfung in drei Punkten:

  1. Ist der Anspruch überhaupt entstanden? (z.B. Vertrag)
    wenn ja, dann:
  2. Ist der Anspruch erloschen? (z.B. Kaufpreis wurde schon gezahlt)
    wenn nein, dann:
  3. Ist der Anspruch noch durchsetzbar? (z.B. Verjährungsfristen)
    • Verjährung?
    • Stundung? (= Fälligkeit nach hinten hinausgeschoben)

Zustandekommen von Verträgen

§ 116 ff. BGB "Willenserklärung"

§ 116 BGB "Geheimer Vorbehalt":
Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt.

Willenserklärung = Angebot und Annahme

Ein Vertrag entsteht bei Abgabe zweier deckungsgleicher Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen zwischen Käufer und Verkäufer.

Vertrag:

§ 145 ff. BGB "Vertrag"

§ 145 "Bindung an den Antrag":
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
...

Achtung bei Schaufenster, Postwurfsendungen:

Angebot kommt erst vom Kunden! ("Invitatio ad offerendum": Komm rein, schau dich um und mache ein Kaufangebot.)

Drei Arten der Willenserklärung:

Inhaltliche Anforderungen an eine Willenserklärung:

  1. Handlungswille (nicht unter Hypnose, nicht unter Schock)
  2. Geschäftswille (Erfolg soll herbeigeführt werden)
  3. Erklärungsbewusstsein (potentielles reicht aus!)

§ 119 - 123 BGB "Anfechtung eines Vertrages"

§ 119 "Anfechtbarkeit wegen Irrtums":
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
...

Annahme eines Vertrages:

§ 147 BGB "Annahmefrist"

(1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachten Antrage.
(2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

Widerruf einer Willenserklärung:

Beispiel:

  1. Brief mit Kaufwunsch wird abgeschickt
  2. Wille zu kaufen dann doch negativ
  3. Fax schicken / Anrufen!

§ 130 BGB "Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden"

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.
(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

sog. "Dritte" im Vertragsrecht

  1. Bote
    ("Sprachrohr", Übermittler einer fremden Willenserklärung)
  2. Stellvertreter
    (eigene Willenserklärung bzw. im Namen des zu Vertretenden)

Der Auftraggeber ist in jedem Fall für Mittelsmann haftbar.

Bote:

Ein Bote kann i.d.R. nicht haftbar gemacht werden.

§ 120 BGB "Anfechtung wegen falscher Übermittlung"

Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Anstalt unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

Eine solche Anfechtung zieht folgendes nach sich:

§ 142 BGB "Wirkung der Anfechtung"

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.
(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

Wahrscheinliche Folge: Auftraggeber muss Material + eigentlicher Auftrag bezahlen

Stellvertreter:

§ 164 ff. BGB "Vertretung und Vollmacht"

§ 164 "Wirkung der Erklärung des Vertreters":
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
...

Ausnahme des Offenkundigkeitsprinzips:

Bargeschäfte des täglichen Lebens. (Bsp.: Samstag morgen, Brötchen holen beim Bäcker, 10 Brötchen für mich und 3 Rosinenbrötchen für Oma, die gsagt hat ... blabla ... !interssiert nicht!)

Vertretung und Vollmacht:

Möglichkeiten des zu Vertretenden:

  1. genehmigen (zahlen)
  2. ablehnen (Stellvertreter muss selber zahlen)

§ 166 BGB "Willensmängel; Wissenszurechnung"

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Ausnahmen des Vertragszustandekommens:

§ 153 BGB "Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden":

Das Zustandekommen des Vertrags wird nicht dadurch gehindert, dass der Antragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist.

Ausnahmen:

Güter des höchstpersönlichen Bedarfs. (Beispiel: Bestellung eines maßgeschneiderten Anzugs, Tod, muss nicht bezahlt werden)

sog. "Gefahrenbereich":

Möglichkeit der Kenntnis. (Bsp.: klingeln an Wohnungstür, Botschaft geht an Familienangehörigen)

§ 130 BGB "Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden":

(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.
(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

Die drei Bedeutungen des Schweigens

Schweigen bedeutet "Ja":

  1. aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehungen kennt der Geschäftspartner seinen Kunden
  2. Antragender verlangt keine Annahmeerklärung

§ 151 BGB "Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden"

Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.

Beispiel zu b): Internet, Auslobung (z.B. Aushang, dass Katze gesucht wird)

Schweigen bedeutet NEIN:

  1. schockiertes Schweigen des zu Vertretenden nach falscher Handlung des Stellvertretenden/Mittelsmann
  2. Erziehungsberechtigter schweigt bei Anruf des Verkäufers, der mitteilt, dass minderjähriger Sohn "groß" einkaufen will

Schweigen bedeutet ausnahmsweise mal "Ja":